Nicht im Kopf, aber geografisch liegt die Türkei hinter uns, seit gut zwei Wochen befinden wir uns in Georgien. Nur ein Grenzübergang wird überschritten und man befindet sich in einer gänzlich anderen Umgebung: sowjetische Relikte in der Öffentlichkeit, die sichtbare Dominanz der georgisch-orthodoxen Kirche, grüne Wälder haben die kargen abgeholzten Weiten der Türkei abgelöst. In Georgien dürfen Denk- und Ehrenmäler aus jener Zeit verspielte Elemente aufweisen. Ein Ehrenmal für die im zweiten Weltkrieg gestorbenen georgischen Soldaten hat wenig Ähnlichkeit mit jenem im Treptower Park in Berlin.

Nackter Körper anstelle eines schweren Soldatenmantels.

Auffällig anders ist auch die Sprache, hör- wie sichtbar. Und zum ersten Mal auf dieser Reise muss ich passen und versuche es gar nicht erst, die georgische Schrift zu entziffern oder gebe mir Mühe mit dem Erlernen von Vokabeln. Ich belasse es bei meinen bislang erworbenen Russischkenntnissen und lege den Fokus auf die Erweiterung dieser. Russisch ermöglicht die Kommunikation mit der Bevölkerung, vorausgesetzt sie sind über 35, andernfalls hilft Englisch, vorausgesetzt sie sind mindestens im Grundschulalter. Meine ursprüngliche Vermutung, Russisch sei die verhasste Sprache mit der man spöttische Blicke erntet, hat sich nicht bewahrheitet.

Also, Georgien ist grün, gebietsabhängig gigantisch hoch, überschaubar und abgesehen vom Straßenverkehr entspannt, die Menschen und die Hunde auf angenehme Art kontaktfreudig.

Wachdienste von Hunden sind gratis.
Auch das Ifchen schließt Bekanntschaft mit Gleichgesinnten.

Vor einigen Tagen folgten wir der abenteuerlichen Bergstraße in das abgelegene Swanetien, dessen Wehrtürme auf Jahrzehnte der Verteidigung erinnern. Leider erschwerte zu hoher Schnee lange Wanderungen, ab Mai beginnt erst die Saison. Man Rat an jene, die den nächsten Wander- oder Kletterurlaub planen: vergesst die Schweiz, auf in den Kaukasus! Höher, entlegender, weniger überlaufen, günstiger.

Finsterer swanetischer Turm von außen.
Finsterer swanetischer Turm von innen mit weniger finsterer Swanetje.
Finster dreinblickende swanetische Kühe (hat ja auch genieselt).
Sonnenbeschienener Großer Kaukasus in Mestia/Swanetien.

Wenn es nicht gerade die Hunde sind, die auf uns Acht geben wollen, so ist es die Polizei (und immer wieder die Polizei). Dass wir mit einem Großfahrzeug in der Gegend herumstehen wollen, stört sie nicht im geringsten. Aber wenn wir es in einsamen Wäldern oder am Strand abseits der Hauptstraße wollen, erwecken wir ihre Aufmerksamkeit. Sie wollen uns vor möglichen Raubüberfällen schützen, weshalb wir entweder in die Nähe des Reviers gelotst werden oder eine Eskorte mit Blaulicht zum nächsten sichereren Platz erhalten. 

Dazu muss erwähnt werden, dass nahezu das gesamte Personal des Polizeiapparates in Georgien 2006 ausgetauscht wurde. Zu korrupt waren die Beamten mit der Bevölkerung umgegangen, zu oft wurde Wegzoll erpresst. Die massiv zunehmende Wut der Bevölkerung hatte dazu geführt, dass sämtliche Beamte ausgetauscht wurden (man begegnet nicht selten Beamten, die wirken, als hätten sie soeben erst die Schule verlassen) und eine bessere Bezahlung erhielten, so dass sie auf Trinkgelder verzichten konnten. Die Bevölkerung ist jetzt entspannter unterwegs, mag ihre Polizei und warnt uns dagegen vor der russischen Polizei – nun, wir werden es ja sehen…

Sehr gefreut hat uns, dass eine Person unserer Einladung, uns ein Stück auf unserer Reise zu begleiten, gefolgt ist. Wir hatten Besuch von Monika (Lews Mutter). Zusammen verbrachten wir sonnige Tage im charmanten Kutaisi, der zweitgrößten Stadt Georgiens.

Sehr erholsam, wenn die Organisation des Tages auch mal von anderen übernommen wird.
Fünf Tage Balkonbalustrade vor dem Ifa.

Nun liegt ein weiterer Abschied hinter uns, vor uns liegt das Stalinmuseum in Stalins Geburtsort Gori, die Heerstraße nach Stepanzminda und der Nordkaukasus. Nach langem Abwegen und intensiver Recherche haben Lew und ich beschlossen, dass eine zügige Durchreise auf russischer Seite durch Kabardino-Balkarien für uns vertretbar ist. Wir machten uns ursprünglich Hoffnungen, eine Fähre würde uns von Batumi oder Trabzon (Türkei) nach Sotschi bringen – Fehlanzeige. Der Fährverkehr in größerem Stil wurde nach der Winterolympiade eingestellt, es verkehren nur noch Passagierfähren oder Frachter, die nach inoffiziellen Absprachen für ca. 1000 US$ bereit sind, einen mitzunehmen, was noch nicht bedeutet, dass Russland uns aus dem Hafen hätte einreisen lassen. 200 km militärisch bewachte Straße durch den Nordkaukasus nach Pjatigorsk lautet die zeit- und nervensparende Alternative, für die wir uns entschieden haben.

2 Kommentare

  1. Meine Erinnerungen an unsere schönen gemeinsamen Tage in Georgien sind noch ganz präsent.
    Swantjes Beschreibungen des Landes finde ich mit meinen Eindrücken von Kutaissi und Umgebung wunderbar treffend.
    Was für ein gastfreundliches Land mit herzlichen Menschen und entspannten Tieren. Reist nach Georgien!
    Denkmäler gibt es viele, sich auf Geschichte beziehend und Geschichten erzählend, manchmal skurril, manchmal verblüffend, oft schön und kreativ. Museen sind im Wandel, wovon gelegentlich auch die Öffnungszeiten betroffen sind.
    Für Gori hatte meine Zeit nicht mehr gereicht und jetzt bin ich gespannt auf Eure Schilderungen des Städtchens mit seinem „Museum der russischen Aggression“, vor 2008 und nach 2012 „Stalin-Museum“.

  2. Die letzten Etappen hören sich ja schön an. Ich hoffe, die Reise zur Grenze gut geht, die Einreise usw. auch. Hier ist alles „normal“. Viele liebe Grüße, Sasha

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