Aus den Tälern des Tuffsteins sind wir nach Nordosten gefahren, in Richtung Georgien. Auf dem Weg dorthin haben wir die Ausgrabungen von Ḫattuša besucht, der Hauptstadt des Hethiterreiches. Dieses ist vor sehr langer Zeit untergegangen. Für die Einwohnerschaft des römischen Imperiums lag das Hethiterreich so lange zurück, wie das antike Rom heute für uns.

Swantje und der Grüne Stein von Ḫattuša

Gerüchteweise war dieser mysteriöse grüne Stein ein Geschenk Ramses‘ (des zweiten).

Kühe bewachen die Grundmauern eines 3600 Jahre alten Tempels.

Im nahe gelegenen Dorf Boğazkale wurden wir wieder sehr freundlich empfangen und zum Tee eingeladen. Bislang haben wir der Zentraltürkei noch keine Tankstelle, Teestube oder Turnhalle gefunden, in der niemand mit uns auf Deutsch plaudern wollte. Wobei angemerkt werden muss, dass wir in noch keiner Turnhalle waren.

Spazieren in der Schiefigkeit Boğazkales

Die weitere Reise führte uns in die alte Tuchstadt Tokat, wo Swantje ein paar neue Tücher kaufte. Natürlich konnte auch hier im Imbiss unserer Wahl jemand Deutsch sprechen, was die Bestellung vereinfachte.

Straße am Markt von Tokat

Dann näherten wir uns der Schwarzmeerküste in der Region Trabzon. Wir machten einen Abstecher in die Berge, um dort auf der Hochebene Cami Boğazı Yaylası zu wandern. Die Straße dorthin führte durch eine immer schmaler werdende Schlucht. Wir fanden keinen Übernachtungsplatz vor ein Einbruch der Dunkelheit und mussten schließlich bei einsetzendem Schneefall vor einem Friedhof halten. Nachdem wir schon ins Bett gegangen waren, wurden wir hektisch von mehreren Blockwarten herausgeklopft. Nach Verständigungsschwierigkeiten verließen sie uns, und wir gingen wieder ins Bett. Nach einer Weile wurde wieder geklopft – sie waren zusammen mit einem Übersetzer zurückgekehrt.
Dieser erklärte uns, dass wir aufgrund der Bedrohung durch die PKK 100 Meter weiter im Dorfkern stehen sollten. Nun gut, dachten wir uns, fuhren in den Dorfkern, legten uns wieder ins Bett. Und wurden von einem Klopfen geweckt. Diesmal war es die Polizei, die unsere Pässe kontrollierte und uns vor der PKK warnte.

Der PKK-sichere Dorfkern mit Wachhund

Am nächsten Tag sind wir etwas weiter in die Berge hinein gefahren. Endlich wieder Wälder! Ein großer Teil der inneren Türkei ist ziemlich kahl.

Fahrt in die Berge

Die Piste wurde schwieriger und verschneiter. Während einer Rast wurden wir von einem türkisch-schweizerischen Rentner auf einem Quad eingeholt, der uns von der Umkehr überzeugte. Wegen der PKK-Angst, und weil die Piste sowieso noch durch Geröll und Schnee verschüttet sei. Mit ihm haben wir dann im Dorf Tee getrunken und einiges erfahren. Ein Jahr zuvor gab es im Nachbarort eine Schießerei zwischen PKK und der Polizei. Es wurde damals vermutet, dass sich zwei PKK-Kämpfer in die Berge geflüchtet hätten. Seitdem lebt die Dorfbevölkerung in Angst. Sie hat Angst, dass die PKK ihnen etwas tun könnte. Oder dass sie im Wald von etwaigen Drohnenanschlägen der Regierung getroffen würden. In Bezug auf uns hatten sie Angst, dass die PKK uns etwas antun könnte – oder alternativ, dass wir der PKK Essen in die Berge bringen würden. Er erklärte uns, dass sich die Dorfbewohner sogar gegenseitig der PKK-Essensversorgung verdächtigen, wenn jemand allein in den Wald geht.

Mir scheint dieses Angstklima ziemlich absurd. Die PKK ist in der Region kaum aktiv und hat vor allem dort nie die Bevölkerung angegriffen. Vor einem Jahr wurden zwei Kämpfer gesichtet? Ich gehe mal davon aus, dass die seit 11 Monaten wieder in den kurdischen Regionen sind.

Weiterhin hat er uns von seiner Zerrissenheit erzählt, zwischen dem Leben in der Schweiz (wo er 40 Jahre gelebt hat) und dem Leben auf dem Land von Trabzon, wo er sich nicht mehr heimisch fühlt. Die anderen Leute dort sind nie weiter als ein paar Kilometer von ihrem Dorf weg gekommen und verstehen ihn nicht. Seine Kinder leben in der Schweiz und wollen nicht freiwillig nach Trabzon; sie kommen nur manchmal, um ihn zu besuchen.

Das waren alles höchst interessante Einblicke in die Lebenswelten hier in den Bergen. Die freundliche Einladung, doch länger im Dorf zu bleiben, haben wir abgelehnt. Wir wollten ja wandern und uns die Natur anschauen. Das wäre hier mit der PKK-Angst der Leute im Nacken zu stressig gewesen, .

So sind wir an die Schwarzmeerküste gefahren, wo man sich um die PKK nicht schert, denn die verbindet man mit dem Gebirge. Dort hat uns zur Entspannung der Abendnebel erwartet.

Schwarzmeer-Abendnebel

Auf der Mole einer Fischereikooperative haben wir zwei Nächte verbracht. Dort wurde die weitere Reise geplant und den Fischern beim Fußball zugeschaut.

Fischerfussball

Und dann? Dann sind wir weiter nach Georgien gefahren. Doch diese Geschichte wird ein andermal erzählt.

Molenswantje

2 Kommentare

  1. Habe gerade „swantje lew blog“ gegoogelt und voila da wart ihr. Kann mich gar nicht sattsehen an den Osttuerkei-Fotos. Sarah schuldet mir noch Flitterwochen dort und ich will in Kars skifahren. Leider war nur in Trabzon und fands eher mau. Obwohl nach einem halben Jahr Russland sich die Osttuerkei seltsam vertraut, europaeisch und wie daheim angefuehlt hat. Bin gespannt wie es sich fuer euch andersherum anfuehlt. Wie ein verlassen Europas?

    Bevor ihr Georgien verlasst: Koennt ihr mir noch ein Foto vom goldenens Vlies machen, das muss dort irgendwo sein!

    Und noch einen Buchtipp: Jeder Kaukasusteisende sollte von Jonathan Littell „Die Wohlgesinnten“ lesen, oder zumindest Teile davon.

    Herzlich und Ahoj
    Xandi

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