Wir fuhren durch den Norden Griechenlands von Westen nach Osten in Richtung Istanbul. Nach einer Übernachtung im grenznahen Vogelschutzgebiet im Mariza-Delta (Evros-Delta bzw. Meriç Nehri-Delta) – mit Sondererlaubnis der Parkranger – querten wir die Grenze. Auf türkischer Seite wurde das Ifchen von einem Röntgenapparat abgefahren und komplett durchleuchtet. Das Batteriefach unter dem Toilettenraum irritierte die Grenzwächter. Wahrscheinlich wirkten die Bleiplatten auf den Röntgenbildern mysteriös. So mussten wir dann die darüber befindliche Holzplatte entfernen. Eine Smartphone-Foto der Batterien wurde gemacht, und wir durften weiterfahren.

Am Rande Istanbuls nächtigten wir auf einem Campingplatz und ließen das Fahrzeug am nächsten Tag dort stehen. Leider entpuppte sich die Fahrt (und Rückfahrt) mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in die Innenstadt als mühsam und langwierig. So fuhren wir dann kurz vor Sonnenaufgang, um der Rush Hour zu entgehen, in die Innenstadt. Wir stellten uns auf einen bewachten Parkplatz am Bosporus, der mittig in Istanbul liegt. Dort blieben wir für einige Tage und erkundeten die Stadt. Drei Leute traf ich dort, die mir jeweils ein Gespräch aufdrängten: den Soldaten, den Schuhputzer und den Missionar.

Station für den Öffentlichen Nahverkehr über Wasser und Land

Wir waren in einem Postamt, um uns den Aufkleber für den elektronischen Brückentrollzoll zu besorgen. Dort hatte auch ein mit einer Maschinenpistole bewaffneter Soldat etwas postialisches zu erledigen. Er sah mich und zuckte zusammen. Etwas später kam er auf uns zu und begann eine Befragung. Wo kommen wir her, wo wollen wir hin, sind wir hier beruflich oder privat? Der Zweck seiner Fragen erschloss sich uns nicht, auch nicht, ob er in einem offiziellen Auftrag oder eher aus persönlichen Interesse fragt. Er wirkte angespannt und weder unfreundlich noch freundlich. Nachdem ich ihm sagte, dass die Türkei ein wirklich schönes Land sei, bedankte er sich und wurde lockerer.

Ich hatte eine große Fotokamera um den Hals hängen. Vielleicht wollte er prüfen, ob ich ein westlicher Journalist – als ein potentieller Unruhestifter – sei? Oder er hielt uns für Touristen und wollte uns vor den gefährlichen Ecken in der Türkei warnen? Allerdings tat er das nicht. Dieses Rätsel wird wohl ungeklärt bleiben.

Später habe ich mich abends vor der Brücke zwischen Europa und Asien mit einem Wackelvideo versucht:

An einem Abend gingen wir über die Galatabrücke, welche das Goldene Horn überspannt. Dort packte gerade ein Schuhputzer seine Sachen zusammen und ging vor uns los. Ich halte natürlich immer Abstand zu Schuhputzern, deren Daseinszweck es ist, ahnungslosen Touristen möglichst viel Geld aus der Tasche zu leiern. Dieser verlor allerdings von ihm unbemerkt (wie uns schien) seine Bürste. Diese hob ich auf, lief hinter ihm her, und gab sie ihm. Er freute sich sehr und gab mir zu verstehen, dass es seine Ehre zutiefst kränken würde, wenn er mir nicht als Dank die Schuhe putzen dürfte. In meiner Naivität lies ich das zu. Währenddessen schlich sich sein Komplize seitwärts an und mimte den am Schuhputzhandwerk interessierten Passanten. Der Schuhputzer verschmierte etwa eine Minute lang den Dreck auf meinen Schuhen mit etwas Seifenwasser und erzählte dabei von seinen hungernden Kindern – auf Deutsch. Also doch keine Wiederherstellung der Schuhputzer-Bürsten-Ehre. Er erklärte mir, dass ich ihn auch mit großen Scheinen bezahlen könne, er würde die dann gerne wechseln. Genervt gab ich ihm 5 Lira, was einen Protest vom zufälligen Passanten ob dieses Geizes auslöste. Den „normalen Preis“ von 5 € wollte ich nicht bezahlen, so dass wir uns mit schlechterer Laune trennten.

Eine kurzes Internetrecherche ergab, dass es sich bei dieser Nummer um einen Standardbetrug auf der Galatabrücke handelt. Beispielsweise gibt es eine psychologische Einschätzung dazu. Mir hat diese Betrugsmasche – und besonders meine mangelnde Hartnäckigkeit beim Ablehnen des Putzens – jedenfalls die Laune verdorben.

Hier nochmal die nachts rot beleuchtete Brücke nach Asien zur Entspannung:

Die rote Leuchtbrücke zwischen Europa und Asien

Der islamische Missionar sprach mich an unserem ersten Tag in Istanbul nach dem Verlassen der Hagia Sofia an. Dies war die interessanteste der drei Begegnungen. Er war freundlich und wortgewandt und sprach ein hervorragendes Englisch. Anfangs war er im Christen-Missionieren-Modus. Er fragte mich, ob ich an den einen Gott glaubte. Hätte ich das bejaht, hätte er wohl von dieser Überzeugung als gemeinsamer Nenner aus argumentiert. Ich zeigte mich jedoch bezüglich der Existenz Gottes zweifelnd, so dass er in den Atheisten-Missionieren-Modus wechselte. Er erkannte den Freund der Wissenschaft in mir, weswegen er pseudowissenschaftliche Gottesbeweise anführte.

Die erste Argumentationslinie war:
Das autoritäre Prinzip als einzig sinnvolle Ordnung ist augenscheinlich – ein Axiom. In der Familie muss es den strengen Vater geben, der Staat braucht einen starken Führer, etc.. Sonst funktioniert nichts und alles endet im Chaos, das wissen wir ja alle. Daraus ergibt sich, dass das ganze Universum einen behütenden Oberführer hat, sonst wäre es nicht so schön geordnet. Hier hat er mich falsch eingeschätzt. Mit diesem Axiom kann ich mich nicht so gut anfreunden.

Die zweite Argumentationslinie war:
Die Umwelt der Menschen ist wie für Menschen gemacht. Die Luft ist super für uns zum Atmen, die Früchte von den Bäumen können wir gut essen, und so weiter. Die Umwelt muss demzufolge willentlich speziell für die Menschen designed wurden sein, da sie so gut passt. Dieses Argument für einen Gottesbeweis habe ich schon bei Stephen Hawking gelesen. Ich habe dem Missionar den Irrtum darin erläutert; leider konnte ich ihn jedoch nicht bekehren.

Nach seiner Einstellung zur Evolution habe ich ihn auch gefragt. Er bestreitet das Vorhandensein von Evolution. Als Beweis des Intelligent Design sieht er die Häufigkeit von negativen Effekten von genetischen Mutationen.

Irgendwann rief der Muezzin. Der Missionar beendete leider das interessante Gespräch mit dem Hinweis, dass er nun beten müsse.

Dies ist nicht Gott, sondern eine Bosporusmöwe.

Außer diesen drei hatten wir in Istanbul noch andere nette Begegnungen. Auch haben wir uns wichtige touristische Attraktionen wie den Topkapı-Palast (Sultanspalast) angeschaut. Dort wird beispielsweise museal recht unkritisch der originale Wanderstock von Moses (den er von Gott beim Dornbusch bekam) und das echte Schwert von Mohammed ausgestellt.

Swantje im Öffentlichen Nahverkehr

Nach den Tagen in Istanbul ging es dann in Richtung Süden nach Antalya. Durch den Stadtverkehr über die große Brücke, vorbei an den istanbuler Trump Towers, und durch die eher menschenleeren Weiten des Binnenlandes. Doch dazu mehr im nächsten Blogeintrag.

Schiffsverkehr im Zentrum der Stadt

2 Kommentare

  1. Geschichten und Fotos vermitteln mir einen befriedigenden Eindruck von Istanbul und eine Unruhe – ich würde Istanbul auch gerne mal sehen und erleben – legt sich. Vielleicht muss es doch nicht sein.

    Die Kontaktaufnahme über die Annahme einer Gefälligkeit durch den Bürstenmann offenbart ein gar nicht so populäres Wissen über die menschliche Natur. Der manipulative Nutzungsversuch berührt ganz besonders unangenehm.
    Die Nicht-Gott-Möwe sieht außergewöhnlich kräftig und gut genährt aus. Schönes Foto, kriegt man nicht so leicht hin.
    Die Ansichten des gebildeten Missionars fand ich sehr interessant.
    Längst habt Ihr Istanbul verlassen und bestimmt gibt es bald eine nächste Geschichte.

  2. Wie „Moses Wanderstock“… Lasst euch da bloss nicht ins Bockshorn jagen!! Der Original-Wanderstock liegt nämlich hier bei uns, draußen unter der Treppe, und nicht nur einer, sondern fünf. Diese legen sich stets auf wundersame Weise dem Lennard in den Weg und dieser muss sie dann an sich nehmen. Vielleicht auch er ein Prophet? Mag sein, aber erst mal macht er die Schule zu ende und lernt was Anständiges.

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