Zum zweiten Mal haben wir die (umstrittene) Grenze zwischen Europa und Asien überschritten und gehen jetzt mal davon aus, dass wir uns erneut in Asien befinden – wir sind im Ural. Es würde sich nun gehören, Bilder von den endlosen Birkenwäldern, die die Hänge der sanften Berge begrünen, und von Bären, die diese durchstreifen, zu zeigen. Aber nach Fotosessions dieser Art steht uns im Augenblick nicht der Sinn. Die Uralregion ist nicht nur für ihre Wälder bekannt, es ist das Ruhrgebiet Russlands im Hinblick auf Kohleabbau und Stahlproduktion. So ist sie die Geburtsstätte des T-34, der Kalaschnikow und des Raketenwerfers Katjuscha – Kriegsgeräte, die sich immer einer großen Beliebtheit erfreuen und als Aufkleber viele Heckklappen russischer Autos schmücken. Auch uns ruft die Arbeit an der Maschine, denn der Motor braucht eine Behandlung. Wir haben ein defektes Abgasthermostat, das dazu geführt hat, dass uns der Motor zwei Mal im Gelände zu heiß geworden ist. Ein neues Thermostat muss her. In der Zwischenzeit tauscht Lew einige Dichtungen an den Zylinderköpfen aus, die wohl in Folge der Überhitzung nachgegeben haben, der Motor weint seitdem einige Öltränen. Das schmerzt sehr, zumal der nahezu neue Motor bislang nicht einen Tropfen verloren hat, aber solange es keine größeren Schäden gibt, können wir mit dieser Schmach leben.

Das ist keine Ölpfütze, es ist Wasser.

Wir hatten in der letzten Zeit aber auch schöne Tage. In Kasachstan haben wir beschlossen, den Grenzübergang zwischen Dimitrowo und Ilek zu überqueren, ein Grenzübergang der sich so unscheinbar und winzig zwischen Wiesen und Sümpfen befindet, dass wir zunächst befürchteten, das dieser für den internationalen Verkehr unpassierbar sei. Das war er glücklicherweise nicht, aber die Grenzbeamten fanden uns so komisch, dass sie es sogar wagten, ihren Vorgesetzten auszulachen, der sichtlich Schwierigkeiten mit unseren deutschen Pässen hatte. Nebenbei war ein Beamter mit drei Sternen auf der Schulterklappe damit beschäftigt, einen kleinen Acker mit einem Spaten zu bearbeiten – zu schade, dass ich mir das Fotografieren an Grenzübergängen aus guten Gründen verkneifen muss. Nach den Behördenstrapazen in Kasachstan schien uns Russland wie eine sichere Bank, auf der man sich bequem eine Weile ausruhen kann.

In der Abendsonne gedrehte Zigaretten werden besonders schön.

Nun waren es also nicht mehr die Behörden, die an unseren Nerven zerrten, sondern der Motor, der sich bei langsamen Geländefahrten nicht mehr kühlen wollte. In solchen Momenten gerät die Umgebung leider ein bisschen zur Nebensache, denn wenn auf dieser Reise jemand leidet, leiden eben alle mit – so ist das Leben als Trio auf engem Raum. Praktisch, dass Russland streckenweise so dünn besiedelt ist und man sich immerhin einen schönen Ort für eine Motorwartung aussuchen kann. Selbst wenn gelegentlich Angler vorbei kommen, stören sie sich nicht im Geringsten an den Schraubarbeiten (selbstverständlich wurde sauber geschraubt). Die russischen LKW-Fahrer sind in dieser Sache ebenfalls schmerzbefreit, da wird die halbe Karre schon mal direkt am Straßenrand zerlegt. Auch bei der Entsorgung von Altöl, von dem wir nach einem Ölwechsel 20 l mit uns führten, zeigt man sich in Russland nicht sehr empfindlich. Wenn es sich in alten Wasserflaschen oder ähnlichen Behältnissen befindet, darf man es getrost in reguläre Mülleimer werfen. Lews Nachfrage bei diversen Automechanikern nach einer korrekten Entsorgung stieß deshalb auf Irritation – man stelle sich vor, man gehe in Deutschland in eine Drogerie und fragt, wie man die ausgequetschte Zahnpastatube los wird.

Reparaturen im Grünen werden ebenfalls besonders schön.

So, nun heißt es Daumen drücken, dass UPS den Weg von Bremen nach Tscheljabinsk kennt, so dass wir bald unseren Weg in Richtung Kurgan nach Petropawl fortsetzen können – wir sind noch nicht fertig mit Kasachstan!

Kasachstan war auch gut zu uns.

 

3 Kommentare

  1. ihr lieben beiden – wie gut, dass ihr immer erst von Schwierigkeiten berichtet, wenn der Höhepunkt bereits überwunden ist, so dass man sich (einigermaßen!) getrost zurücklehnen kann, anstatt mitzubangen und nicht eingreifen zu können. – Ich bin gespannt, wann dann der erste Bericht aus der Mongolei erscheint!
    Ich würde so gern einmal wissen, was bei euch zu den Mahlzeiten so auf dem Tisch steht. Oder ist es ganz Nebensache? Herzlichst – Karin

    1. Hallo Karin,
      seit Italien futtern wir hauptsächlich vor Ort angebautes Gemüse – weil es einfach kaum etwas anderes gibt. In Russland sind das natürlich Kohl, Kartoffeln, Karotten, Zwiebeln… und manchmal eine Dose Fisch. An den russischen Landstraßen haben wir uns auch mal das dort übliche Imbissessen gekauft: Schaschlik.
      Herzliche Grüße aus einem Birkenwald zwischen Mückenschwärmen, Lew

  2. Tja, ob UPS doch noch irgendwann den Weg nach Tscheljabinsk gefunden hätte, werden wir nun ja leider nie erfahren. Den Weg nach und von Köln kennen sie aber ganz gut wie mir scheint – das lässt ja hoffen.
    Möge der Thermostat nun schneller als die russische Polizei erlaubt seinen Weg nach Omsk zurücklegen und euch dort treffen.
    Sollte auch dieser dritte Versuch scheitern, werde ich euch das Teil persönlich bringen (und mir das Ticket von UPS bezahlen lassen).

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