Wir haben die Monotonie der Sumpfebenen Südsibiriens hinter uns gelassen und uns weiter vom Meeresspiegel entfernt, wir sind im Altai angekommen! Die Luft ist frisch, die Hitze erträglicher, die Aussichten grandios. Leider mussten wir eine niederschmetternde Feststellung machen: das neue Abgasthermostat, auf das wir so hoffnungsvoll und unter Schmerzen gewartet haben, funktioniert nicht. Das sibirische Warten war umsonst. Lew hat notgedrungen das alte Thermostat nun repariert. Erkenntnis erfolgt manchmal über Umwege, sich wiederholendem try and error und nach vielen mühsamen Gedanken. So ist nach einigen umgesetzten und wieder verworfenen Ideen mittlerweile deutlich geworden, dass das Abgasthermostat nur eine von zwei Fehlerquellen war. Die andere liegt vermutlich in der Kupplung des Motorlüfters, welche vom Thermostat gesteuert wird. Durch kreative Tricks hat Lew heute – endlich – einen Workaround auch für die zweite Fehlerquelle gefunden, so dass die Temperaturregulation nun like a charm funktioniert.

Um uns von dem UPS-Wahnsinn zu erholen und um zur Abwechslung mal nicht an Abgasthermostate zu denken, sind wir vor einigen Tagen an den im Norden vom Altai gelegenen Teletskoe See gefahren. Er zählt zu den 25 tiefsten Seen der Erde, die Wassertiefe wird auf zwischen 300 und 400 Meter geschätzt und entsprechend gering ist seine Temperatur. Die altaischen Morgenduschen in diesem Wasser haben Abgasthermostate vergessen lassen und die Konzentration nur noch auf den Herz-Lungen-Rhythmus gelenkt.

Auch Putin empfiehlt einen Aufenthalt am Teletskoe See.
Verlockende und eisig kalte Badewanne.
Nebelbänke über Wasserfläche bei gleichzeitigem Sonnenschein – noch nie gesehen.

Zum Erholungsprogramm gehörte eine Bootstour über den See sowie die Bekanntschaft mit russischen Pärchen, die am Wochenende ebenfalls die sibirische Stadt gegen eine reizvollere Gegend tauschen. Meine Russischkenntnisse reichen bei Weitem nicht aus, um ein längeres Gespräch zu führen. Dank der Google-Translate-App ist eine Konversation möglich, die über den Austausch der Herkunftsorte reicht. Hat man sich erst einmal an diese recht stumme Form der Kommunikation gewöhnt, kommt einem das Hin-und-Her-Reichen des Smartphones auch nicht mehr absurd vor. Wir hatten bereits in der Türkei die Erfahrung gemacht, dass selbst in abgelegenen Bergdörfern Leute unterschiedlichen Alters mit Selbstverständlichkeit auf diese App zurückgreifen. Sehr angenehm, dass man nicht mehr nur auf die Verständigung mit Hilfe von Händen und Füßen beschränkt ist.

Die vielen Feuerstellen, die Menschen an sämtlichen Flussufern und sogar in Wäldern zurücklassen, machen deutlich: in Russland muss man Lagerfeuer machen. Hier ist man dafür bestens ausgestattet, Motorsäge ersetzt schon mal die Spaltaxt. Von daher machen wir uns überhaupt nicht lächerlich, wenn das Feuer nicht mit einem Feuerstein entfacht wird, sondern mit einem Gasbrenner.

Hier brennt gleich feuchtes Holz.
Voilà!

Vielleicht nicht in Russland, aber in der Mongolei kommt man angeblich um gelegentliche Flussdurchfahrten nicht herum. Die Luftansaugung des Ifchens befindet sich auf 1,80 m Höhe. So tief soll der Wagen aber nicht ins Wasser getunkt werden, denn er hat eine Schwachstelle: der Holzaufbau. Eine sich mit Wasser vollsaugende Isolierung in den Wänden wäre fatal, weshalb im Extremfall bei einem Wasserstand von einem Meter für uns Schluss ist. Weil es sich anbot, haben wir den Ifa sich das erste mal die Reifen nass machen lassen. Für den Anfang aber sachte, damit er sich nicht erschreckt.

Das Ifchen muss über Steine krabbeln…
…und taucht wieder auf.

Es kommt vor, dass man bei einer Flussdurchfahrt selbst in das Wasser steigen muss, um eventuelle Hindernisse zu erkennen oder sie zu entfernen. In diesem Fall war das Baden mit Ifa ein großer Spaß, kann aber auch zu einer ungemütlich-kalten Angelegenheit werden. Eine Wathose, wenngleich in Russland überall in Angelbedarfshops erhältlich, gehört nicht zu unserer Reisegarderobe. Dennoch ist es in manchen Situationen hilfreich: do as the locals do. Wir sind ohne Sandbleche in Deutschland gestartet, aus guten Gründen und mit etwas Naivität. Es ist alles andere als trivial, in Russland Sandbleche für Geländegroßfahrzeuge zu erwerben. Sandbleche werden wohl nur von westeuropäischen Reisenden mit sich geführt. Man greift für den Fall, dass man sich schwer im Sand oder Matsch festgefahren hat und die Räder keinen Grip mehr haben, auf Holzbohlen oder ähnliche Unterlagen zurück. Zudem sind sie eine kostengünstige Alternative, wurden somit von uns in Gorno-Altaisk erworben und unter der Karre festgezurrt. 

Lew sägt, ich fotografiere, die Männer im Hintergrund lachen.

Mittlerweile fahren wir auf dem Tschuisky Trakt, der einzigen Straße, die über 530 km von Gorno-Altaisk durch das Gebirge bis an die mongolische Grenze führt. Das Bemerkenswerte an diesem Gebirgs-Highway ist, dass er über nur sehr wenige Pässe verfügt. Überwiegend schlängelt er sich über hunderte Kilometer durch das breite Tal entlang des Flusses Katun, immerhin auf bis zu 2000 Metern. Gut für uns, das spart Diesel und erleichtert die Stellplatzsuche aufgrund der vielen Ebenen. Ein Steilwandlabyrinth wie beispielsweise in den Schweizer Alpen ist dagegen großfahrzeuginkompatibler.

Altai-Morgensonne.
Diese Brücke ist nicht gesperrt. Sollte aber nach meiner Einschätzung auch nicht mit einem Ifa befahren werden.

Der Altai ist enorm dünn besiedelt, Bergwanderungen auf die Dreitausender sind als mehrtägige Wanderungen zu planen, da die Basislager erst einmal erreicht werden müssen. Der sowjetische Charme der Städte ist hier nicht mehr zu finden, und es gibt keine Plätze mehr, auf denen Lenin mit ausgestreckter Hand dem Volk die Richtung weisen will. Die Infrastruktur in den Dörfern ist aus unserer Sicht einfach: eine Kalonka für die gesamte Gemeinschaft wird für ausreichend befunden, Selbstversorgung statt Geschäfte, Außentoilette sowieso und kleine Holzhäuser, von denen man hofft, dass sie harte Winter überstehen. Über eines verfügen sie jedoch alle: einen Funkmast, der für eine stabile Netzabdeckung sorgt. Das kommt auch uns zu Gute, andernfalls hätte dieser Blogeintrag wahrscheinlich noch bis Ölgii (Mongolei) warten müssen. Was sind wir verwöhnt, wir sollten uns wirklich mal mit Personen austauschen, die eine Reise dieser Art vor 30 Jahren unternommen haben.

Kuray. Von hier aus geht es heute ein Stück in die höheren Lagen – dann auch mal zu Fuß.
Moskau liegt mittlerweile weit hinter uns, nach Ulan Bataar hingegen ist es nur noch ein Katzensprung.

 

4 Kommentare

  1. ich habe wieder mal die Luft angehalten bei der Beschreibung eurer Amphibienfahrt. Da Swantje im Auto nicht zu sehen ist, watet sie wahrscheinlich voran , um die größeren Steinbrocken an die Seite zu räumen…
    Ist Ulan Bataar nun das Sehnsuchtsziel – oder geht es noch weiter? Übrigens forscht dort doch mal nach Galsan Schinag,(?), den mongolischen Autor und Heiler.
    Liebe Grüsse – Karin

  2. Glückwunsch, kann man sagen, dass Ihr so weit, also nunmehr bis kurz vor die mongolische Grenze gekommen seid. Alles rund um den Thermostaten würde wohl viele Blogseiten benötigen und nur mit technischen Kenntnissen hinreichend zu verstehen. Dennoch, interessant wäre es, in einer Abschweifung diese Geschichte zu erfahren.
    Das Altaigebirge ist ja grandios, ich hatte es geahnt.
    Die Festzelte für das Naadam werden wohl schon aufgebaut (falls das so üblich ist wie gerade zur Breminale) und wie es aussieht, werdet Ihr rechtzeitig da sein. Ich wünsche Euch schöne Festlichkeiten.

  3. Ach, das sieht alles cool und spannend aus! Ich finde, ihr solltet nur fragen, ob ihr für das nächste Foto unter Wegmarken eventuell kurz euer Ifchen auf den Sockel links rollen könnt.. Viele liebe Grüße vom Wildenbruchplatz, S.

  4. … das Putinplakat hab ich nicht gefunden … 7nd baden geht auch nimmer … der Teletskoer See ist zugefroren und die Einangler sind mächtig aktiv …

    Gruss Ulf

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