Irgendwann habe ich den Widerstand gegen die Mafia aufgegeben.

Genauer gesagt nicht den Widerstand gegen die Mafia selbst, sondern gegen das Thema Sizilianische Mafia. Fast alle Leute, denen gegenüber ich das Reiseziel Sizilien erwähnte, äußerten sofort ihre Mafia-Assoziation. Ich reagierte typisch auf eine solche Beobachtung: ich beschloss, mich im Widerstand gegen diesen kollektiven Pawlow’schen Reflex überhaupt nicht mit der Geschichte der Mafia zu beschäftigen.

Das habe ich nicht durchgehalten. Beim Reisen lerne ich viel – es motiviert mich nämlich immer wieder zum intensiven Wikipedia-Lesen. So war dann auch nach einer Weile das Thema Cosa Nostra dran. Diese Gang hatte vom 19. Jahrhundert bis Anfang der 1990er Jahre die sizilianische Gesellschaft in ihrer Hand. Erst starker internationaler Druck und die Angst, aus der EU zu fliegen, hat die italienische Regierung zu ernsthaften Maßnahmen gegen die Mafia motiviert. Es wurden 20.000 Soldaten nach Sizilien geschickt, um die Situation unter  Kontrolle zu bringen. Mehrere Mafia-Spitzenmanager wurden verhaftet und im Gefängnis isoliert. Seitdem hat die Sizilianische Mafia ihre Strategie geändert. Sie morden und erpressen nicht mehr offen, sondern sind in der Logistik des internationalen Drogengeschäftes tätig. Erstaunlich, dass die offene Herrschaft der Mafia bis Anfang der 90er Jahre mitten in Europa möglich war.

Behelligt wurden wir auf der Reise aber nicht von der organisierten Kriminalität, sondern nur häufig von den technischen Fragen älterer Männer. Diese wollten entweder ihre in der 60ern im Ruhrgebiet erworbenen Deutschkenntnisse auffrischen oder Fragen zum Fahrzeug stellen. Diese Fragen sind immer und ausnahmslos: Wie alt ist das Auto? Ist es aus den 30ern? (Die 30er werden immer vermutet) Wie viel verbraucht der? Wie viel Liter passen in die Tanks? Oh, hat der etwa Allradantrieb? Um die Gespräche abzukürzen, könnte ich einen Flyer mit der Antwort drucken und aushändigen: 40 – 20 – 800 – 4×4

Ältere Männer in Deutschland und Österreich stellen fast die gleichen Fragen – jedoch nie mit der Vermutung eines Baujahres in den 1930er Jahren. Diese Idee ist Italien-spezifisch. Der Grund dafür ist mir unklar. Gab es in den 30ern hier vielleicht einen LKW, der so ähnlich aussah?

Landschaft von Ficuzza

Unsere Reise führte uns erst durch das Inland. Sizilien ist sehr hügelig. Es ist schon seit Jahrhunderten weitgehend abgeholzt und wird umfassend extensiv belandwirtschaftet. Für große Reisemobile ist die Kombination von viel Landwirtschaft mit Bergen und Hügeln ungünstig, da man schlechter Stellplätze findet. Trotzdem gibt es schöne Ecken. Etwa den Wald von Ficuzza, den wir uns mit einigen einheimischen Waldkühen geteilt haben. Diese fanden uns höchst erstaunlich.

Wir wurden von selbstständigen Waldkühen beobachtet.

So kamen wir an die Südküste. Wir fuhren einen schönen Stellplatz unter Eukalypten an. Von dort aus erkundeten wir zu Fuß über den Strand die Nachbardörfer und stellten fest, dass es sich um Potemkinsche Dörfer für die Touristen handelte – und wir außerhalb der Saison dort waren.

Kann man von der Baumsorte auf die Insel schließen, auf der das Foto gemacht wurde?

Die Suche nach einem Fischrestaurant führte uns in die Hafenstadt Sciacca (gesprochen [ˈʃakka]).

Im Hafen von Sciacca.

Nebelbänke und Schlechtwetterfronten verhinderten einen Ausflug auf den Ätna, so dass wir uns in die Gegend von Messina aufmachten, um dort die Fähre auf das Festland zu nehmen. Dort ließ ich mich mehrfach vom beliebten 3,5t-Zeichen verwirren:

Auf Sizilien gibt es viele – neu aussehende – Zeichen mit dieser Aufschrift. Gerne unvorhergesehen an allen Abzweigungen einer Kreuzung, wenn man nicht wenden kann. In Messinas Fährhafen gibt es zwei Einfahrten: eine ausschließlich für Warenverkehr vorgesehene, und eine, die mit vielen dieser 3,5t-Schilder bestückt ist. Wieder mal ein Esel von Buridan. Davon laufen hier einige herum. Swantje überzeugte mich, meine deutschen Hemmungen zu überwinden. Wir sind dann – zusammen mit verschiedenen PKW, Reisebussen und LKW – auf die Fähre für Fahrzeuge bis 3,5t Gesamtgewicht gefahren, was auch niemanden gewundert hat.

Auf nach Kalabrien!

3 Kommentare

  1. Hallo Lew, hallo Swantje,
    ich freue mich, dass Ihr so viel erleben könnt und es uns auch berichtet.
    Danke
    Herta

  2. Hallo Swantje,
    hallo Leif,

    so ein Zufall, ich war gerade selbst auf Sizilien. War aber Ende November bis 4.12. Ein paar Tage in Palermo und ein paar Tage in Catania. Auch den Wald von Ficuzza habe ich besucht, immer in Begleitung von ein paar merkwürdigen Straßenhunden. Bei mir war der Rocca leider wolkenverhangen, sonst wäre ich draufgeklettert. Eigentlich wollten wir dort unten was wandern – haben wir auch gemacht. Mehr aber noch gegessen und Rotwein getrunken. Geht man in ne Bar und bestellt was, bekommt man automatisch Essen auf´s Haus dazu. Daran könnte man sich gewöhnen. Wie überhaupt an das Essen dort. Gute Reise euch beiden!

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