Wer unseren Weg auf diesem Blog mitverfolgt, sollte auch ein bisschen mit uns leiden. Nachdem vor einigen Jahren bereits der erste Versuch in die Friaul-Julischen-Alpen zu gelangen wegen technischer Probleme gescheitert ist, hatten Lew und ich es nun endlich geschafft, in dieses Gebiet vorzudringen. Von den bizarren Berg- und Felsformationen war jedoch leider nichts zu sehen, zu stark behinderte querschlagender Regen und Sturmnebelböen die Sicht. An Wandern war gar nicht zu denken, weshalb wir zunächst einen Parkplatz mit theoretisch bester Aussicht auf Gemona del Fiuli ansteuerten. Immerhin gab es Geburtstags-Dolcetti am Nachmittag.

Hier sieht man nichts
Hier sieht man nichts

Eine alte Regel für Reisende mit Großfahrzeugen besagt, dass man Reise-, Organisations- und Freizeittage streng voneinander trennen sollte, möchte man zu viel an einem Tag erledigen und erleben, endet es schnell im Stress. Anstelle des für heute angedachten Wandertags wurde somit ein Planungs- und Organisationstag festgelegt – Kaffee im Ifa mit Blick auf das Kartenmaterial. Dann der Schlag am späten gestrigen Abend: der Regen hat sich nicht nur den Weg durch einige Dichtungen im Fahrerhaus gebahnt, sondern auch einen kleinen Kanal im Dach gefunden – die Pfütze zeigte sich kurz vor dem Schlafengehen auf der Matratze. Es muss angemerkt werden, dass das Dach kompliziert aufgebaut ist. Der Aufbau besteht aus Regenhaut, Hinterlüftung, Folie, Holz-Dämmwolle, Folie, Innenverkleidung. Das Wasser muss sämtliche Schichten durchlaufen, bevor es auf das Bett tropfen kann. Der Schaden hätte groß sein können, war er zum Glück nicht. Das Wasser hat die Direttissima gewählt und das Isolationsmaterial ignoriert. Jedenfalls stand Lew bei Unwetter nachts auf dem Dach für die Frickellösung: Schmierzeug auf Gewebeband (auch Pfuschen will gelernt sein!) und hoffen. Die Lösung brachte uns immerhin trocken durch die Nacht. Im Sturm morgens aufgewacht wurde beschlossen, aus dem Planungstag einen Strecketag zu machen: ade Friaul-Julisch, wir lernen uns ein anderes Mal kennen, keine Alpen im Spätherbst, keine finsteren Bergtäler mehr. Wir wollen in den Süden, Sonne und noch ein wenig Wärme. Via Bologna führte uns unsere Route an die Adria, aufwärmen und Dichtungen austrocknen lassen. Hat funktioniert! 440 km wurden heute somit unspektakulär auf der Autobahn zurückgelegt. Jenseits der Saison ist es hier in Pesaro (unterhalb von Rimini) auszuhalten und Meer bleibt immer noch Meer. Morgen folgen wir noch ein wenig dem Küstenverlauf, danach soll es dann doch wieder für ein paar Tage in die Berge gehen: Lanciano in den Abruzzen. Ich kann mich von den Bergen offenbar nicht komplett abwenden. Dort wird dann auch nicht mehr gefrickelt, dort wird die gute Tube Sikaflex hervorgeholt, um dem Wasserfluss ein Ende zu bereiten. Der Wetterbericht sagt, dass ab Höhe der Toskana alles immer schön ist, Deutschlehrer_innen behaupten das auch. Daran wollen wir glauben und lassen die Herbststürme hinter uns. Eine weitere alte Regel für Reisende besagt: flexibel bleiben und mit dem Unerwarteten rechnen.

Übrigens, die Carabinieri findet uns immer recht interessant, mehr dann aber auch nicht. Das darf auch ruhig so bleiben.

Sehr herzerwärmend: die lieben Geburtstagsglückwünsche, die mich auf unterschiedlichen Wegen erreicht haben. Schön zu wissen, dass auch Kuchen für mich mitgegessen wurde – herzlichen Dank!

Strecketag: im Cockpit
So sieht ein Strecketag aus
So sieht ein Strecketag aus

6 Kommentare

  1. Man wünscht Euch natürlich bestes Wetter und phantastisches Aussichten. Und wieder zeigt sich, dass es weder auf Reisen noch im Berliner Alltag ständig so ist.
    Mal hatte ich auch so einen kleinen Gedanken im Hinterkopf, ob Lew sich nicht langweilt ohne eine kleine bauliche Herausforderung. Auf jeden Fall ist sie jetzt da und gemessen an denen der Vergangenheit winzig.
    Der Gran Sasso (höchster Berg rundum) in den Abruzzen bzw. der Parco Nazionale de Gran Sasso sind natürlich großartig. Nicht ganz so weit von der Küste weg gefallen mir die Städte Atri und Chieti (bei Pescara) ganz besonders und ich kann sie zur Besichtigung empfehlen. Es sind italienische Bergstädtchen und voller Geschichte. Atri habe ich auch mal im Nebel erlebt und selbst das war zauberhaft.
    Die Küstenstädtchen an der Adria finde ich nicht so spannend und einander sehr ähnlich. Ich hoffe, Ihr habt einen oder zwei Blicke auf die Eisenbahnlinie geworfen. Die ab Rimini überwiegend auf oder am Strand und durch die Campingplätze führt. Und wenn man zum Meer will, muss man ja immer irgendwie unter der Eisenbahn durch. Es kündet von einem Geist voller Stolz auf diese großartige Technik und ich freue mich immer wieder, dass sie nicht zeitgemäß verlegt wurde.
    Und nun wünsche ich Euch eine weitere wunderbare Reise und freue mich auf Eure Berichte.

  2. Ich bin jetzt auch ein offizieller Follower ud total gespannt auf weitere Reiseberichte. Ihr macht das ganz richtig: Leben erleben. 😉
    Liebe Grüße von Kathrin

    1. Hi Kathrin,

      willkommen beim Followen! Ich hoffe, dass wir noch eine Menge unterhaltsamer Reiseberichte präsentieren können.

      Liebe Grüße,
      Lew

  3. Schön, schön…schließe mich der Vorsprecherin bzw Vorschreiberin an: ihr machts richtig. Wenn ihr könnt vermeidet Bari. Eine Stadt, die mein liebenswerter Kollege Cristiano – ihr habt ihn kennen gelernt – als Kloakenstadt schimpfte. Wohl nicht ausgeschlossen, dass in diese drastische Beschreibung einige emotionale Erfahrungen reinspielen.
    Ihr seid nun also in Lanciano und euch gefällt es?! Zumindest sagt das der Streckenverlauf auf der Karte. Ich wünsch euch wunderbare Wochen und besseres Wetter als hier!

    1. Hi Gaby (& alle anderen),

      Lanciano war super. Allerdings sind wir da schon ein paar Tage nicht mehr. So schnell mit dem Updaten der Karte bin ich nicht! Nun habe ich das aber nachgeholt.

      Der Wetterbericht sagt immer, dass in Bari dauernd die Sonne schiene. Wir versuchen uns fernzuhalten. Ganz wird es nicht klappen, da von dort wohl unsere Fähre nach Griechenland (oder Albanien?) starten wird.

      Liebe Grüße,
      Lew

      1. Hallo ihr beiden,
        ich bleibe gespannt und werde euren Streckenverlauf verfolgen. Derselbe Cristiano aus Bari hatte mir allerdings damals Perugia empfohlen und meinte, es sei die schönste Stadt Italiens. Ihr seid nun zwar schon südlicher, aber ich wollte das nicht unerwähnt lassen. Euch alles gute weiterhin…

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