Es ist seltsam, aber anstelle die Orte als das zu erkennen, was sie sind, neige ich gelegentlich auf Reisen dazu, Parallelen zu jenen Orten herzustellen, die mir bekannt sind. Sehe ich die Pappeln in den Tälern der anatolischen Hochebene denke ich an Pappelalleen in der Wesermarsch, stehe ich an schilfbewachsenen Seeufern in kühler Morgensonne, denke ich an Dänemarkurlaube und kürzlich glaubte ich mich auf Island wiederzufinden: die Kraterseen Acıgöl und Meke Maar gaben Anlass dazu. An Kraterseen kann man in Ruhe mit dem Ifchen stehen, gucken und staunen, morgens drumherum eine Runde joggen oder auf Krater steigen (Aufstieg extrem anstrengend, Abstieg, auf Lavaasche surfend, extrem amüsant).

Ifa erholt sich am Acıgöl.
Lavaasche ist nicht nur schwarz.

Der Anblick der heute größten Karawanserei Kleinasiens Sultanhanı in Sultanhanı löste bei mir keinen Wiedererkennungseffekt aus, Motels für Kamele waren mir neu. Die damaligen Sultane haben für die Karawanserei Sultanhanı ordentlich Geld springen lassen, schließlich gab es entlang der Seidenstraße viel Kundschaft.

Sultanhanı – hoch genug für hohe Tiere.
Lews Begeisterung für dieses historische Anschauungsmodell eines luftgekühlten Reihensechsers war groß.

Lew und ich haben leider keine Kamele getroffen, dafür ungeplanterweise Wölfe, und sie waren grau. Gerät man unter Wölfe, bleibt ein anfänglicher Schrecken nicht aus, es stellte sich jedoch schnell heraus, dass sie vor allem eines wollten: reden. Und so verfiel ich in meine einstige berufliche Rolle, jene der Zuhörerin, die gelegentlich eine Frage stellt, um mehr zu erfahren. An diesem Abend erhielt ich somit einen Einblick in die Lebenswelt und die Sorgen eines alten und eines jungen Wolfes, erfuhr mehr über ihr mit Zähnefletschen bzw. -knirschen verbundenes ‚Evet‘ für Erdoğan (die AKP erhält seit geraumer Zeit die Zustimmung der MHP, die momentan nicht sehr viel mehr erwarten kann) und die empfundenen Vorteile für die Bevölkerung, wie beispielsweise einer flächendeckenden Kranken- und Rentenversicherung, die R. T. Erdoğan ins Leben gerufen hat und von der nun viele profitieren. Eine sich manifestierende Diktatur oder ein Krieg in den kurdischen Gebieten gerät dann schnell zur Nebensache, zumindest wenn man keine Söhne hat, denen der Wehrdienst bevor steht. Dass die staatliche Fürsorge in Wahlzeiten im wahrsten Sinne des Wortes kriegsentscheidend sein kann, darauf hätte bereits eine vorherige Regierung kommen können. Die Widersprüchlichkeit der wölfischen Weltanschauung war nicht überraschend und gab lediglich wieder, wie aus einem Wust aus fehlender Zukunftsperspektive, mangelndem Selbstwertgefühl und dem festen Glauben an patriarchale Strukturen verbunden mit einem hohen Maß an eigener Passivität, eine rechtsextreme und faschistische Haltung entstehen kann. Dennoch, ein Abend Wolfsgeheul genügt für die nächste Zeit.

Er hat an Beliebtheit eingebüßt – liegt wohl nicht an der sowjetisch wirkenden Bauart.

Zwischenstopp in Derinkuyu – eine Stadt über und unter der Erde. Auf 2500m² kann man eine unterirdische Stadt bis auf 55m unter der Oberfläche begehen, dabei wurde vermutlich erst ein Viertel der ursprünglichen Stadt freigelegt. Die Entstehung sowie Nutzung der unteridrischen Städte Kappadokiens sind bislang noch umstritten.

Zwischen dem -7. und -8. Stockwerk.

Jedenfalls bildet dieses labyrinthische Gängesystem eine Stadt, die Leben in der Tiefe auf hohem Niveau ermöglichte: Lüftungsschächte für gute Luft und Transport, Brunnen, Weinpresse, Kerker, schwer zu bewegende Mühlsteintüren und eine für die räumlichen Verhältnisse große Kirche.

Hausflur im Untergrund.

Dann kamen erneut Tage der Organisation – mit Erfolg!

Der in Derinkuyu erworbene Schlauch war günstig.
Der Kilopreis für Tabak in Avanos (Tütüncü) noch günstiger.

Mittlerweile haben wir erneut eine Hauptstadt besucht: Ḫattuša, die Hauptstadt des Hethiter-Reiches, heute Boğazkale. Auf dem Weg dorthin mussten wir einige Tage die einmalige Fels- und Tuffsteinlandschaft Kappadokiens durchwandern. Ein Beitrag über Wohnungen in Höhlen und die Brüchigkeit von Sandstein folgt…

Ein Kommentar

  1. Es stellen sich bei „Derinkuyu“ und anderen unterirdischen Städten natürlich sofort die Fragen, wer die wann und warum erbaut hat. Wikipedia vermutet da auch eher rum, vielleicht waren es bereits die Hethiter. Habt Ihr an Ort und Stelle mehr dieser Fragen beantworten können?

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