Was haben wir auf der Reise für Schauergeschichten über den Grenzübertritt in den Iran gehört: Papierchaos, aufdringliche Schlepper, Stempelwahnsinn, unnötiges Aufzwingen von Versicherungen… Gegen all das konnte Lew sich erfolgreich wehren, und schlußendlich konnten wir mit wenig Nervenverlust und einem korrekt abgestempelten Carnet de Passage in das Land einreisen. Das war vor circa drei Wochen, in denen uns Natur und Menschen auf angenehme Art und Weise daran hinderten, Zeit für einen Blogeintrag zu finden.

Im Norden des Irans erwartete uns ein Wintereinbruch mit Schneestürmen, die das Fahren auf den ungeräumten Straßen beinahe unmöglich machten. Unser Wille jedoch, mit Winter, Schnee und Kälte nun wirklich nichts mehr zu tun haben zu wollen, trieb uns an, dennoch so schnell wie möglich die Stadt Buschehr am Persischen Golf zu erreichen. Das allseits so beliebte Zāgrosgebirge haben wir leider nur im Vorbeifahren kennengelernt, wir wollten stattdessen endlich Saide und Farshid kennen lernen, die in Buschehr auf uns warteten.

Die Zāgrosberge im Winter – trotzdem schön.
So sehen Winter und ein Stellplatz am Persischen Golf aus.

Wir blieben gleich eine ganze Woche in Buschehr und verbrachten unsere Zeit damit, viel Kaffee in Farshids Sports Bar zu trinken, viele delikate iranische Gerichte in Saides Küche zu genießen und Meeresluft zu atmen. Selbstverständlich haben wir auch deren beider Freundeskreis kennengelernt, der uns zum Wandern, zum Picknicken und zu frisch gegrilltem Fisch eingeladen hat. Im Iran Menschen kennenzulernen gelingt in Sekundenschnelle.

Der alte Hafen von Buschehr.
Lew mit Saide.
Lew mit Farshid.
Familienausflug in einer Oase.
Im Iran gibt es keinen Ausflug ohne Picknick.

Wie schon mehrmals angedeutet, ist ein selbstbestimmtes Reisen über viele Monate eine Erfüllung, keineswegs jedoch ein Urlaub. Möchte man Urlaub, muss man sich diesen bewusst nehmen – Buschehr war Urlaub! Die lieben Menschen vor Ort haben zudem aus diesem Urlaub einen unvergesslichen Urlaub gemacht. Der Abschied fiel uns entsprechend schwer.

Abschiedsbesuch im Ifchen: Saide, Farshid, Mohammed, Lew.

Nebenbei bemerkt: spätestens seit Georgien ist deutlich geworden, dass Leute gerne Bronzefiguren in die Straßen stellen, die so wirken, als gingen auch sie ihrem ganz alltäglichen Geschäft nach. Auch im Iran scheint man sie zu mögen.

Mann mit Nähmaschine in der Altstadt von Buschehr. Allerdings besteht er nicht aus Bronze, sondern aus vielen zusammengeschweißten Stahlblechen – eine schwer beeindruckende Arbeit.

Nicht weit von Buschehr befinden sich die Salzigen Berge, auf denen sich über Jahrtausende Salzschichten abgelagert haben. So sind Formationen entstanden, wie man sie eher aus Tropfsteinhöhlen kennt, nur eben überirdisch.

Salziger Wasserlauf.
Salz und Wasser haben Stein bearbeitet.
Salzkaskaden.
Es gibt auch Höhlen mit Salztapete. Dieses Foto hat Lew ohne Stativ und beinahe im Dunkeln geschossen!
Ritterfestungen aus Salz.

Von den Salzbergen ging es weiter Richtung Schiras. Von der Beschaffenheit des Fahruntergrundes her stellt der Iran keine besondere Herausforderung dar. Sämtliche Straßen befinden sich in einem guten Zustand und sind somit für ein geländetaugliches Fahrzeug zwar langweilig, dafür aber wenig materialschädigend. Herausfordernd kann lediglich der Umgang mit der iranischen Fahrweise sein. Nun ist der Verkehr außerhalb der Städte überschaubar, doch sobald sich ein Fahrzeug nähert ist Vorsicht geboten. Entgegenkommende Autos auf der eigenen Fahrspur, das Kreuzen der Spur ohne Umsicht oder waghalsige Überholmanöver sind keine Seltenheit. So hat sich ein Auto bei einem Überholmanöver auf einer zweispurigen Gebirgsstraße gleich mal gegen unsere vordere Stoßstange gesetzt. Gleichzeitig hat nämlich ein entgegenkommendes Auto ebenfalls zum Überholmanöver angesetzt, so dass nun vier Fahrzeuge nebeneinander fahren sollten, was die Straße allerdings nicht hergab. Vor Schreck hat der uns überholende PKW schnell wieder eingelenkt und sich dabei das Heck an unserer Stoßstange zerdengelt. Der Ifa blieb von dieser Aktion unbeeindruckt. Wir waren froh, dass es keine Verletzten gab, ansonsten konnten wir nur mit den Schultern zucken. Immerhin sah das der andere Autofahrer ähnlich.

Ein zoroastrischer Feuertempel ohne Feuer. Im Iran gibt es diese aber auch mit der brennenden ewigen Flamme.

Beim Campieren jenseits der Straße müssen wir im Iran geschickter vorgehen als in den bisherigen Ländern. Denn nach Möglichkeit sollte das Ifchen aus keiner Richtung aus zu erspähen sein. Wir hatten schon abendlichen Besuch von der Polizei, die uns vor lauter Sorge um uns vor ihre Wache eskortiert haben, wo sie uns mit SIM-Karten, Kaffee, Süßigkeiten und guten Wünschen zur Nacht ausstatteten. An einem anderen Morgen klopfte uns ein Polizist in Gefolgschaft von aufgeregten Männern um fünf Uhr aus dem Bett. Sie wollten sicherstellen, dass wir weder mit Drogen dealen, noch sie konsumieren und keine IS-Gesandte oder sonstige unerwünschte Gestalten sind, woraufhin sie uns ebenfalls eine angenehme Nachtruhe wünschten. Mittlerweile haben wir den Dreh raus, wie wir es vermeiden können, ständig im Schlafanzug und mit verschlafendem Blick zu Unzeiten geweckt zu werden. In Städten bleibt das Campen in der Öffentlichkeit unverdächtig, denn iranische Familie zelten ebenfalls gerne in der Öffentlichkeit.

Städte wie Schiras werden von uns immer äußerst früh angefahren oder verlassen, wir ziehen die Einsamkeit auf Straßen vor.

Sucht man im Schiras das Weinerzeugnis hergestellt aus der gleichnamigen Traube, wird man seit vielen Jahren leider nicht mehr fündig. Halb so schlimm, Schiras bleibt auch so eine unterhaltsame Stadt.

Menschen lieben es, in der Nasir-ol-Molk-Moschee im Fensterlicht zu posieren.
Im Vakil-Hamam kann man sich gegenwärtig leider nicht mehr waschen.
Nietzsche, Zarathustra und Hafis haben einen gravierenden Einfluss auf das Leben dieses Cafébetreibers. Und er macht guten Cappuccino.
Angenehmer Vakil-Basar: man kann in Ruhe stehen bleiben, sich Dinge anschauen und auch weitergehen. Die Ladeninhaber betreiben mit Ruhe ihr Geschäft.

Auf Schiras folgte Persepolis, eine der alten Hauptstädte des Persischen Reichs. Ähnlich wie in Rom wandelt man hier zwischen alten Gesteinsresten herum. Diese wurden, nach bestem historischen Wissen, wieder zusammengesetzt, um eine Andeutung der einstigen Paläste zu geben. Eine VR-Brille (VR: virtuelle Realität), wie ich sie in Korea für eine alberne virtuelle Achterbahnfahrt aufgesetzt bekam, käme auf dem Gelände von Persepolis sinnvoller zum Einsatz. Immerhin, man bekommt vor dem Haupttor eine solche Brille gereicht, durch die man dann ein 3D-Bild vor sich hat, das an das Ischtar-Tor erinnert. Das Museum der Zukunft wird hoffentlich noch überraschen. Die zum Teil erstaunlich gut erhaltenen Reliefs und Inschriften stehen dabei für sich und dürfen auch weiterhin auf VR-Brillen verzichten.

Greif, in Farsi genannt Homa: der Kopf eines Vogels, den Körper eines Löwen. Da dieser Greif in Persepolis jahrelang unter Sand verschüttet war, blieb er nahezu unbeschädigt.
Hier beißt der Sommer (verkörpert von einem Löwen) dem Winter (verkörpert von einem Stier) in den Hintern – ein wohlgemeinter Gruß nach Deutschland!

5 Kommentare

  1. Ach, wie schön. Es scheint sich voll gelohnt zu haben, dass Ihr in den Iran gereist seid. Liebe Grüße aus Hamburg von Sasha und Karin

  2. Ich habe noch nie über Salzkaskaden nachgedacht, aber sie sind wunderschön. Habt eine gute Weiterreise! Ihr werdet vermisst.

  3. Der Gruß (s.oben) ist angekommen: hier beißt uns gerade der Winter in denselbigen….ich beneide euch wegen der wärmeren Gefilde, denen ihr jetzt entgegenrollt. Könnt ihr eigentlich noch Eindrücke aufnehmen nach all den Superlativen? Liebe Grüße

  4. Tja, und ich sitze freiwillig in Nordschweden, freue mich über knapp nen Meter Schnee, Dauerfrost und Nachttemeraturen bis minus 30 Grad … heim zieht mich grad so garnix … mal sehen, was das noch wird …

    Gruss Ulf

  5. Hallo ihr zwei, vielen Dank für die Karte! Ich habe mich sehr gefreut! Liebe Grüße aus dem kalten Berlin von Susi, Jakob und mir

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