Vor etwa zwei Wochen haben wir die Grenze zwischen der spannenden Reisewelt und dem Universum des akkurat gemähten Rasens und der klaren Reglementierungen überschritten. Diese Grenze lässt sich sogar recht genau verorten: sie verläuft grob entlang der Landesgrenze zwischen Bosnien und Kroatien. Gartenzwerge und Wohnmobilstellplatzverordnungen verlocken uns nicht, und so sind wir flugs weiter durch Slowenien, Österreich und Deutschland geeilt, um im Letztgenannten Reisebekanntschaften aus Asien zu treffen und gemeinsam Erinnerungen an die Ferne zu rekapitulieren.

Doch vorher konnten wir einen Blick auf den Balkan zwischen Kroatien und Griechenland werfen – und dort auch noch ein Abenteuer erleben. Doch der Reihe nach.

Nach der Entspannungszeit in Griechenland verließen wir die EU und fuhren nach Mazedonien; hauptsächlich, um dort zu tanken. In Europa gibt es, so weit meine beschränkten Recherchen das ergeben haben, den billigsten Diesel meistens in Mazedonien. Die mazedonische Tankfüllung reicht uns bis nach Norddeutschland. So aufgefüllt kampierten wir eine Weile an den großen und alten Seen Prespa und Ochrid.

Der See Ochrid – nett, aber touristisch erschlossen.

Irritiert haben wir in Europa eine Reiseregel fallen gelassen: wir sind nicht mehr nur früh morgens zu einem Grenzübergang gefahren. Grundsätzlich startet man den Landeswechsel ja lieber früh morgens. Sollte es dann schlecht laufen, ist die Chance trotzdem groß, dass man die Grenze immer noch vor Einbruch der Nacht passieren kann. Und das ist anzustreben, denn das Suchen eines Stellplatzes in einem neuen Land ist bei Dunkelheit sehr nervig. Nun konnten wir erleben, dass Grenzabfertigungen auch manchmal nur Minuten dauern können. Erstaunlich! Warum prüfen und durchsuchen die denn nichts? Sehen wir so harmlos aus?

Swantje und der albanische Baum.

In Albanien haben wir das Meer besucht, historische militärische Steinansammlungen angeschaut (Burgen und Bunker) und in den heißen Quellen gebadet.

Abendlicher Blick auf die Badewanne der heißen (nunja, lauwarmen) Quellen.

Bei den Quellen wurden wir von zwei Bullifahrern angesprochen, die ein Begleitfahrzeug für eine Offroad-Pistenfahrt suchten. Sowas kennen wir ja schon. Die Informationen über den Track hatten sie aus einem der diversen Albanien-Offroad-Reiseführer, und die Piste hätte keine Höhenbeschränkung und sei LKW-tauglich, wurde uns erklärt. Erstaunt über diese mir unbekannten Informationsquellen der jungen Leute (Bücher! – wenn auch wahrscheinlich nicht aus bedrucktem Totholz) fuhren wir natürlich mit.

Die erste albanische Bergpistentour im Konvoi.
Die Sicht aus dem Fenster bei der ersten albanischen Bergpistentour.

Bei dieser Pistentour handelte es noch sich nicht um das oben erwähnte Abenteuer. Die Piste war ausreichend groß und fest und das Ifchen nicht absturzgefährdet. Die bergalbanische Umgebung war aber sehr schön und wir konnten den Ausblick genießen. Ab und an trafen wir andere Fahrzeuge, deren Insassen wohl den gleichen Offroad-Reiseführer benutzten.

Am Ende der Piste wartete ein Übernachtungsplatz am Fluss.
Wonaders gab es einen Übernachtungsplatz in Meeresnähe.

Unser Hauptziel im nächsten Land, Montenegro, war der Nationalpark Biogradska Gora.

Ein montenegrinisches Krokodil.

Beim ersten Spaziergang um den See nahe unseres Stellplatzes entdeckte ich ein hölzernes Musikinstrument.

Begeistert musizierte ich.
Swantje interessierte sich mehr für Gegenlichtfotografie.

So weit ganz idyllisch, sollte man denken, doch dann nahm das Unglück seinen Lauf. Das Ifchen stand im Tal am See, während die spannenden Wanderwege im nächsten Hochtal begannen – nur wenige Kilometer Waldpiste entfernt, jedoch 800 Meter höher. Am ersten Wandertag mussten wir diesen Höhenunterschied jeweils vor und nach der interessanten Wanderung überwinden. Dieser von Langeweile geprägte Wanderweg raubte uns also insgesamt vier Stunden tägliche Wanderzeit durch die füßliche An- und Abreise in das und aus dem Wandergebiet. Oben gab es einen verlockenden potentiellen Ifchen-Stellplatz bei einer netten Bergbaude. Hier begann dann auch das angekündigte Abenteuer.

Siebzehn Haarnadelkurven am steilen Hang auf einem bachüberflossenen schmalen Waldweg gab es zu überwinden – was soll dabei schiefgehen, dachte ich mir. Swantje war zu Recht skeptisch, doch behauptete ich mit großer Selbstsicherheit, dass das Ifchen das ja wohl schaffen würde.

Nach diesem Beschluss kämpften wir uns am nächsten morgen den Berg hoch. Mit der Feuchtholzsäge bearbeitete ich unterwegs verschiedene im Weg hängende Äste. Der Weg war gerade breit genug für das Fahrzeug, und wir mussten in den Kurven mit viel Aufwand rangieren, um das Ifchen herum zu bringen. Meistens war die Piste zum Hang hin nur leicht geneigt, so dass die seitwärtige Kippgefahr sich im Rahmen hielt.

Fahrt am Hang. Es geht tief runter. Diese Stelle war nicht von Wasser aufgeweicht.

Ab und an mussten wir Platz für Locals mit kleineren Fahrzeugen machen, die auch hinauf oder herunter wollten. Das war mühsam und ging nur in den Kurven. Verschiedene Leute versicherten uns, dass der Weg mit dem großen Truck nicht zu machen sei, da er zu schmal würde. Ich glaubte natürlich kein Wort, da wir ja gewohnt sind, dass Kleinfahrzeugfahrende die Befahrbarkeit von Gelände mit Großfahrzeugen falsch einschätzen.

Etwas Herzklopfen bekam ich dann bei den Stellen mit aufgeweichtem Boden. Ein Rinnsal floss den Berg hinunter und querte die Piste an verschiedenen Stellen. Hatten wir nicht mal im Kaukasus beschlossen, dass das Ifchen sich in Schluchten, Bergen und Wald sich nicht wohl fühlt, sondern in Wüsten und Steppen bewegt werden möchte?

An einer schmalen und matschigen Stelle hinderte ein Stück Holz ein Rad an der Vorwärtsbewegung, woraufhin das Rad sich zur hangseitigen Seitwärtsbewegung entschied. Ich hielt an und sicherte das Fahrzeug am nächsten Baum.

Das Ifchen wird angebunden, damit es den Berg nicht herunterfällt.

Mit etwas Mühe und durchdachtem Vorgehen kamen wir aus dieser Situation auch heraus, aber Nerven und Stimmungen waren nun sehr negativ beeinflusst. Schließlich, nach drei Stunden anstrengender Fahrt, hatten wir die Hälfte des Weges geschafft und beschlossen die Rückkehr. Diese stellte sich auch noch als Herausforderung dar, da das Vermeiden des IFA-Wegrutschens bei schlammigen Grund bei Bergabfahrt nicht einfacher als bei Bergauffahrt ist.

Wir drei kamen ohne physische Schäden im Tal an. Ich habe viel gelernt. Ein bisschen über das Verhalten des Fahrzeugs in bestimmten Situationen im Gelände, aber weitaus mehr darüber, wann ich eine Strecke nicht fahren sollte. Man sollte keine Schweißperlen auf der Stirn haben, weil man fürchtet, dass das eigene Haus einen Berg herunter fallen könnte.

Am nächsten Tag hatten wir uns soweit erholt, dass wir die Strecke erwandern konnten.

Links ist der See zu sehen, an dem das Ifchen nun auf uns wartete. Hier bereitete Swantje den Fotoapparat zu Insektenfotografie vor.
Swantjes Insektenfotografie.
Ein wenige Millimeter großer lustiger Hüpfer.
Portrait einer ordinären Waldfliege.
Jäger der ordinären Waldfliege.
Lew in den Bergen.

Nachdem die Flora und Fauna unsere Nerven wieder beruhigt hatte, machten wir uns in die Zivilisation auf – nach Mostar in Bosnien und Herzegowina.

Diese Stadt ist berühmt und touristische beliebt wegen ihrer Rolle und Zerstörung im Balkankrieg, wegen ihrer immer noch währenden Teilung zwischen den Bevölkerungsgruppen, und wegen ihrer hübschen Altstadt, die heute ausschließlich aus Touri-Nippes-Geschäften und Touri-Restaurants besteht.

Täglich schieben sich Horden von schwergängigen Touristen durch die Konsumzonen.

Der Hauptgrund unseres Besuches war natürlich das Leuchtfeuer der Verständigung und der Konfliktbeseitigung: eine Statue, die vor wenigen Jahren von einem Jugendverband aufgestellt wurde. Sie bietet eine Identifikationsfläche für alle jungen Menschen in Mostar, auf beiden Seiten des Flusses. Selbstverständlich handelt es sich dabei um

Bruce Lee.

Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt. Wir fuhren durch Kroatien, Slowenien und Österreich, wobei wir uns eine Menge mit den jeweiligen nervigen digitalen Überwachungs- und Bezahlgeräten beschäftigen mussten, die wir dort auf den Autobahnen brauchten. In Deutschland angekommen trafen wir unterwegs diese und jene, die hier auch schon in den Mongolei-Beiträgen erwähnt wurden. Sehr bald werden wir in der Region ankommen, in der unsere Familien leben, und dort temporär immobilisiert werden. Die Familie und Freunde wiederzusehen ist schön. Auf den Rest, der hier so auf uns lauern könnte, Englischer Rasen und Nine-to-Five-Job, freue ich mich nicht. Das Leben in Deutschland wirkt in vielem absurd. Für Swantje kann ich an dieser Stelle nicht sprechen – aber mich haben diese 20 Monate der Reise für immer verdorben. Schon vorher mochte ich Büroalltag nicht, aber nun weiß ich genau, dass ich mich nie in ein solches Leben dauerhaft einfinden werde. Dafür ist die Welt zu groß.

4 Kommentare

  1. Bleibt nicht stehen! Fahrt weiter! Ich werde meinen Lieblingsblog vermissen. Ihr habt mir das Gefuehl gegeben, selber auf der Reise dabei zu sein. Aber auch schøn, dass ihr wieder da seid. C U soon

  2. BRUCE LEE?! Wieso nicht Chuck Norris? Na ja. Ich bin sehr froh, dass Ihr den Berg nicht runtergekracht seid. Und die Insektenfotos sind wunderschön. Kommt gut nach dem Norden und meldet Euch bei Gelegenheit. Sasha

Schreibe einen Kommentar